1. MaiFruchtbarkeit von Milla Breuer



Gartenarbeit ist die aktive Teilnahme am tiefsten Geheimnis des Universums.
Thomas Berry



Unsere Spiritualität wächst, wenn wir etwas tun, das uns den Zugang zum Wunder und Geheimnis der Schöpfung erleichtert. Für manche geschieht dies durch Gartenarbeit, anderen eröffnet sich die spirituelle Welt beim Musizieren, im Betrachten und Schaffen künstlerischer Werke. Andere wieder finden durch die Literatur zur Spiritualität. Den gleichen erbauenden Wert haben Tätigkeiten wie Wandern in der Natur, Fischen, Jagen, Photographieren, die Mitgliedschaft in einer religiösen Gruppe, der Besuch von Gottesdiensten, oder aber die Freude und das Engagement in einer engen Beziehung. Auf unserem Weg zur Genesung brauchen wir Aktivitäten, die es uns ermöglichen, aus unserer eigenen Haut herauszukommen. Wir müssen die Erfahrung machen, daß wir Teil eines übergeordneten Ganzen sind, dessen Geheimnis wir nie ganz ergründen werden. Wenn wir einmal unseren eigenen Weg der Spiritualität gefunden haben, lernen wir die Geheimnisse der Schöpfung immer mehr schätzen. Vielleicht entdecken wir neue Wege der Spiritualität, die uns bisher verschlossen waren.

Heute will ich am Wunder der Schönheit des Lebens teilnehmen.

[Zurück]

2. Mai

Teile deine Gedanken nicht jedem mit, sonst verhinderst du dein Glück.
Apocrypha, Ecclesiasticus 8:19

Bisher hatten wir in unserem Leben Probleme mit Grenzen. Manches haben wir im Übermaß übertrieben, anderes haben wir unendlich lang hinausgezögert. Manchmal haben wir unüberlegt zuviel gesagt und uns dem falschen Menschen anvertraut. Ein andermal haben wir Dinge für uns behalten, die uns einsam und krank gemacht haben. Es kam vor, daß wir in einer unangemessenen Situation zuviel von uns gezeigt und dadurch einen anderen Menschen oder uns selbst verletzt haben.
   Eine deutliche Wandlung vollzieht sich, wenn wir unsere inneren Grenzen neu definieren. Allmählich gewinnen wir mehr Selbstachtung und spüren intuitiv, wann wir etwas sagen sollten und wann nicht.
   Heimlichkeiten sind unsere Fesseln, die uns in Isolation, Abhängigkeit und indirekter Abhängigkeit gefangenhalten. Aber wenn wir zwanghaft immer alles offenbaren, fehlt uns noch die innere Sicherheit, die wirkliche Reife mit sich bringt. Was wir brauchen, ist ein Gespür für Intimsphäre, die darin besteht, daß jeder Mensch die Freiheit hat zu entscheiden, ob und wann er sich öffnen will. Was sagt mir meine Intuition in Hinsicht auf Vertrautheit und Offenheit?

Heute will ich auf meine innere Stimme hören, die mir sagt, was ich mitteilen und was ich für mich behalten soll.

[Zurück]

3. Mai

Ehrlichkeit ohne Einfühlungsvermögen ist nicht ehrlich,
vielmehr versteckt sich Feindseligkeit dahinter.
Rose N. Franzblau

Jede an sich gute Sache kann in schädlicher oder verletzender Weise benutzt werden. Unsere Genesung beruht auf unserem Versprechen, zutiefst ehrlich zu sein. Aber diese Ehrlichkeit wird verdreht und wirkt verletzend, wenn sie nicht mit unserer wahren Motivation übereinstimmt.
Ein Mann, der anderen Gruppenmitgliedern widerspricht, um sich überlegen zu fühlen, anstatt hilfreich zu sein, verhält sich feindlich. Die Kritik an etwas, das andere nicht ändern können, wirkt nur verletzend. Wenn wir unsere Schuld eingestehen, sollten wir dies nicht bei Menschen tun, die besser ohne uns und ohne unser Schuldbekenntnis zurechtkommen.
Während wir reifer werden, entdecken wir bei uns immer mehr Dinge, die schmerzlich sind. Wir müssen auch diese Wesensanteile akzeptieren und dürfen uns nicht dafür verurteilen, daß wir menschlich sind. Wir dürfen unsere destruktiven Wünsche nicht vor uns selbst geheimhalten. Erst dann wird unsere Ehrlichkeit uns selbst und anderen gegenüber nicht von unaufrichtigen Motiven getrübt.

Ich bete um Ehrlichkeit mir selbst gegenüber,
damit meine Ehrlichkeit anderen gegenüber echt ist.

[Zurück]

4. Mai

Was wäre, wenn das Ich seine Interessen soweit ausdehnen könnte, daß wir das menschliche Drama aus einer göttlichen Perspektive betrachten könnten?
Mißerfolg wäre dann so natürlich wie Erfolg, und beides nähme der Betroffene so wenig persönlich, wie der Schauspieler die Rolle des Verlierers auf der Bühne eines Freilichttheaters!
Huston Smith

Die Dinge mit Abstand zu betrachten, ist eine weise und reife Art, mit den Ereignissen des Lebens umzugehen. Manchmal fällt es uns schwer, diesen Abstand zu wahren, weil er unsere Reife fordert. Wie könnten wir auch Mißerfolge auf die leichte Schulter nehmen, wo uns doch von Kind an beigebracht wurde, Sieger zu sein und jedes Wagnis einzugehen! Wie verhalten wir uns einem geliebten Menschen gegenüber, der von Ängsten geplagt wird? Wie können wir ihn unterstützen, ohne sein Problem zu unserem zu machen?
Wir sollten einige unserer alten Vorstellungen in Frage stellen. Vielleicht haben wir geglaubt, wir müßten immer der charmante Märchenprinz sein, der die Jungfrau aus den Dornen rettet. Wahrscheinlich hinderte uns unsere Idee vom rettenden Prinzen sogar daran, echte Freunde zu gewinnen.

Während sich meine Sichtweise verändert, gelingt es mir immer besser,
einen gesunden Abstand zu wahren.

[Zurück]

5. Mai

Das Leben an sich ist so unmittelbar, bunt, schön und aufregend,
daß wir machtlos dagegen sind,
uns seiner stürmischen Umarmung zu entziehen.
E. B. White

Der Erste Schritt unseres Programms konfrontiert uns mit dem für uns radikalen Gedanken, daß es uns weiterbringt, unsere Machtlosigkeit zu akzeptieren und uns dem Leben einfach hinzugeben. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven: Wenn wir den neuen Tag begrüßen und uns vornehmen, ihn zu genießen, wenn wir in Kontakt mit unserer Höheren Macht treten und die Schönheit und Buntheit um uns herum sehen, sind dies Dinge, die nicht in unserer persönlichen Macht liegen.
Und doch befinden wir uns mitten in einem Abenteuer, wenn wir uns dem Leben hingeben, so wie es ist. Dies ist etwa so, wie wenn wir ein spannendes Buch oder einen Kriminalroman lesen. Jeder Mensch, der versucht, Kontrolle über etwas zu gewinnen, bringt sich selbst in Schwierigkeiten. Heute wollen wir am Leben teilnehmen!

Heute will ich beides akzeptieren: die Gegebenheiten des Lebens und die Unsicherheit, die damit zusammenhängt, daß nicht alles in meiner Macht liegt.

[Zurück]

6. Mai

Dem Körperbewußtsein wird zu wenig Beachtung geschenkt. Die Betonung liegt zu sehr auf Leistung statt auf Bewußtsein. Doch in der Regel erreichen nur die Sportler Höchstleistungen, die ein hochentwickeltes Gefühl für Körpersprache haben.
W. Timothy Gallwey

Der überdurchschnittliche Sportler besitzt ein ausgeprägtes Gespür für seine Muskeln und Knochen. Während er sich bewegt, weiß er, wieviel Kraft er anwenden muß, wie er den Ball halten muß oder welche Bewegungen er machen muß, um mühelos zu tauchen.
Wettkampf und Leistung sind wichtige Elemente in unserem Leben. Es macht Spaß und motiviert uns, wenn wir gewinnen. Aber wenn wir dem Sieg die größte Bedeutung beimessen, werden wir geschwächt und verlieren das Gleichgewicht, das wir nur durch mehr Bewußtsein in allen Bereichen des Lebens erhalten können.
Wenn ein Herrscher Nachrichten aus bestimmten Teilen seines Landes übersehen würde, müßte sein Regime darunter leiden. Wenn wir unsere Gefühle übergehen und nicht über unser tägliches Leben nachdenken, werden wir zu kraftlosen und unfähigen Männern. Während wir heute diese Gedanken lesen, öffnen wir uns für die inneren Botschaften und machen die Fenster des Bewußtseins auf.

Gott, hilf mir, mein Gleichgewicht zu finden und bewußter zu sein.

[Zurück]

7. Mai

Der neueste Computer kann lediglich mit hoher Geschwindigkeit das älteste Problem menschlicher Beziehungen in eine Kurzfassung bringen. Am Ende steht der Mensch mit dem alten Problem da: was er sagen soll und wie er es sagen soll.
Edward R. Murrow

Vielleicht gelingt es uns, unsere Probleme mit anderen Menschen auf "Kommunikationsschwierigkeiten" zu reduzieren. Damit wissen wir jedoch noch nicht, wie wir dieses Problem beheben können.
Wie können wir dahin kommen, mehr Verantwortung für unseren Teil der Kommunikation zu übernehmen? Können wir aufhören, die Schuld auf andere zu schieben?
Unsere Beziehungen bessern sich, wenn wir daran arbeiten, eine klare, genaue und direkte Sprache zu benutzen, mit deren Hilfe wir weniger Schuldgefühle vermitteln. Wir können einfache Wörter gebrauchen, die die Wahrheit zum Ausdruck bringen, anstatt sie in schöne Worte zu kleiden. Wir können Beispiele und Einzelheiten erzählen, anstatt uns hinter Allgemeinplätzen und Andeutungen zu verstecken. Wir können direkter werden, indem wir eine "Ich"- und "Du"-Sprache verwenden. Dabei kommen wir auch der Wahrheit in uns selbst ein Stück näher und werden ehrlicher.

Heute will ich bewußt darauf achten, mich klar, genau und direkt auszudrücken.

[Zurück]

8. Mai

Wenn Kinder Kinder sind, lieben sie ihre Eltern.
Wenn sie älter werden, verurteilen sie ihre Eltern.
Manchmal verzeihen sie ihnen.
Oscar Wilde

Ein reifer Mensch vergibt seinen Eltern früher oder später. Jeder Erwachsene sieht rückblickend die Fehler und Ungerechtigkeiten seiner Kindheit. Viele von uns sind von ihren Eltern enttäuscht worden, manche wurden sogar vernachlässigt und tief verletzt. Ganz bestimmt aber haben wir nicht all das bekommen, was wir wollten und brauchten.
Mit unserem Eintritt in die Welt der Erwachsenen übernehmen wir die volle Verantwortung für uns selbst. In jeder Situation gibt es nur begrenzte Möglichkeiten. Es liegt an uns, das Potential zu nutzen, das wir mitbekommen haben. Als Erwachsene stellen wir fest, daß dies genau der Punkt ist, an dem unsere Eltern standen, als wir Kinder waren: Auch sie wurden in eine unvollkommene Welt hineingeboren und mußten ihr Bestes geben.
Wenn wir unseren Eltern verzeihen, werden wir frei, sie so zu akzeptieren, wie sie sind - oder wie wir einen Freund akzeptieren.
Wir können unsere Eltern so nehmen, wie sie sind, uns an der Freundschaft mit ihnen freuen und damit aufhören, alte Schulden eintreiben zu wollen. Wenn wir Frieden mit unseren Eltern schließen, gewinnen wir die Unterstützung früherer Generationen und erreichen mehr inneren Frieden.

Ich bete um die Weisheit und Reife, meinen Eltern verzeihen zu können.

[Zurück]

9. Mai

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß eine Eingebung nicht wie ein Blitzstrahl einschlägt und auch nicht durch Zielstrebigkeit und Ehrgeiz erzwungen werden kann. Sie wird uns ganz langsam, still und kontinuierlich zuteil, wenn wir ihr nur Tag für Tag die Chance geben, zu fließen und sie mit ein wenig Alleinsein und Muße willkommen heißen.
Brenda Ueland

Wir neigen dazu, handlungsorientiert zu sein und wollen schnelle Erfolge in kurzer Zeit erreichen. Unsere Gesellschaft fördert diese Haltung, besonders bei Männern.
Jetzt jedoch sind wir auf der Suche nach spirituellem Wachstum. Wir sind auf der Reise nach innen und bemühen uns um eine enge Beziehung zu unserer Höheren Macht, zu uns selbst und zu anderen Menschen.
Spiritueller Fortschritt wird möglich, wenn wir unsere Geschäftigkeit und unseren Ehrgeiz aufgeben. Für eine Eingebung werden wir nur empfänglich, wenn wir ihr in unserem Leben durch Nichtstun, Alleinsein und Muße Raum geben.
Dieser Augenblick ist ein solcher Raum, in dem wir kein klares Ziel haben, sondern über uns selbst und unseren Weg zur Genesung nachdenken. Dadurch werden wir empfänglich für Eingebungen, Inspirationen und jene tieferen Bereiche, deren Entwicklung nicht in unserer Hand liegt.

Heute weiß ich, daß ich mich nur dann spirituell weiterentwickeln kann,
wenn ich in meinem Leben Raum dafür lasse.

[Zurück]

10. Mai

Du bist angenommen ... akzeptiert von einer Kraft, die größer ist als du, und deren Namen du nicht kennst. Frag jetzt nicht nach dem Namen, vielleicht wirst du ihn später erfahren. Versuch nicht, irgend etwas zu tun, vielleicht wirst du später viel tun. Such nicht nach etwas Bestimmtem, tu nichts, plane nichts, nimm einfach die Tatsache an, daß du akzeptiert bist.
Paul Tillich

Neue Möglichkeiten eröffnen sich uns, wenn wir unsere Machtlosigkeit erkennen. Ein Bereich, der sich unserem Einfluß entzieht, liegt vor uns.
   Das Annehmen wird zu unserer lebendigen Erfahrung, wenn wir für uns selbst Verantwortung übernehmen und unsere Zwölf Schritte befolgen. Daß wir angenommen sind, können wir jedoch nicht dazu benutzen, besser zu werden. Wir können diese Tatsache auch nicht festnageln. Im Gegenteil: In dem Moment, wo wir versuchen, diese Tatsache bewußt nutzen zu wollen, beginnt sie sich ins Nichts aufzulösen. Wir können diese Botschaft der bedingungslosen Annahme nur empfangen, wenn wir demütig und völlig offen sind.
   Wenn wir mit Hilfe unseres Ersten Schrittes Selbstlosigkeit erlernt haben, sind wir bereit, die Botschaft des bedingungslosen Annehmens zu empfangen.

Ich bin dankbar, daß ich angenommen werde.


(Alle Texte aus: Berührungspunkte. Tägliche Meditationen für Männer. Hazelden. Heyne.
Siehe Copyright.)


[Zurück]